Ein tumultuöses Kammerspiel in vier Akten
von Max Beckmann
Berliner Erstaufführung
Friedrich Zwerch ist ein Erfolgsmensch. Vom Kellner bis zum Hoteldirektor führte die Karriereleiter steil nach oben. „Ich habe immer nur getan, was jeder macht. Einen Fuß auf die nächste freie Sprosse gesetzt. Wenn sie manchmal noch nicht frei war, habe ich wohl etwas nachgeholfen. Gern Nicht. Leider muss man leben“. Auf der Höhe seines Erfolgs überkommen ihn Müdigkeit und Zweifel. Was soll der ganze Betrieb und Verkehr? Aber nichts da, immer schön das Rad weitergedreht. Der große Direktor Zwerch verstrickt sich immer tiefer in das Spiel einer genusssüchtigen Gesellschaft. Umgeben von der sogenannten High Society, intriganten Untergebenen und ehemaligen Zirkusartisten, verfolgt von der zwanghaften Liebe seiner Frau und der sexuellen Gier seiner Geliebten, schreckt er auch vor Mord nicht zurück. Doch durch diesen gewaltsamen Befreiungsversuch wird sein Spielraum immer enger, bis er am Ende nur noch seinem Doppelgänger in einem grotesken Spiegelkabinett begegnet.
Dieser kurze Handlungsabriss erscheint überaus dramatisch. Doch während der literarische Expressionismus seine Themen pathetisch, utopisch, visionär angeht, gibt sich Beckmann lakonisch. Er zeigt ein Sammelsurium von gesellschaftlichen Deformationen, Tote, Abgestorbene schon zu Lebzeiten, Karikaturen, die schon durch die exakte Abbildung der gesellschaftlichen Realität als Karikaturen erscheinen. „Jeden Tag bringen sich die Menschen um, als ob das so eine Art Foxtrott wäre“, lässt Beckmann den Arzt sagen. „Das einzig Vernünftige ist, gut Fressen und Saufen, vielleicht noch een Hund und …die Zigarre.“
Die Welt als Hotel, als Bordell, als Zirkus – das „typische“ Beckmann’sche Szenario bildet den Hintergrund, um die Geschichte von Menschen mit ihrem Trieb nach Freiheit und Selbsterkenntnis, ihrem Verlangen nach Sinn, Verwandlung und Erlösung zu erzählen.
Der Maler Max Beckmann schrieb „Das Hotel“ im Jahre 1923/24 im Frankfurter Milieu. Es wurde im Jahre 1984 anlässlich der großen Beckmann-Retrospektive zum 100. Geburtstag des Künstlers im Münchener Haus der Kunst zum ersten und bisher einzigen Mal gezeigt.
Inszenierung: Anemone Poland
Bühne: Robert Schmidt-Matt
Kostüme: Lynn Thiessen
Licht: Christoph Wüst
Regieassistenz: Nadine Kälin
Statik: Bernhard Szafranski
Rechte: Verlag Jussenhoven & Fischer, Köln
Es spielt das Ensemble des theaterforum kreuzberg:
Friedrich Georg Walter Zwerch, Hoteldirekor – Martin Klodzinski
Klara Zwerch, seine Frau – Saskia Kästner
Paul Müller, Oberkellner – Jürgen Ruoff
Baron René Manosch – Frank Roder
Elly, seine Frau – Edie Samland
Iwan Ludmann – Klaus Hänscheid
Kramer, Hoteldirketor – Bas Lubbers
Porten, Hoteldirektor – Steffen Neupert
Schulz, Hoteldirektorin – Ilona Rudolf
Hasenbüttel, Hoteldirektor – Raúl Gonzalez
Paula Gratzewohl, Hoteldirektorin – Susanna Reinhart
Ernesto, Bauchredner – Steffen Neupert
Anna, Zofe der Baronin – Sulamith Bade
Zwerch II, Doppelgänger – Raúl Gonzalez
Dr. Kalla – Jan Obrtel
Die Blonde – Sulamith Bade
Mit Unterstützung der Alexander-Stiftung, der Kulturförderung Friedrichshain/Kreuzberg und den Freunden der Neuen Nationalgalerie
Premiere am 24. Oktober 2003
Fotos: Jochen Melzian